Europa als Wirtschafts-und Sozialgemeinschaft
Europa ist immer noch in erster Linie eine Wirtschaftsgemeinschaft. Dies ist angesichts globaler Entwicklungen und im Zentrum einer weltweiten Wirtschaftskrise sinnvoller und notwendiger denn je. Sicherheit und soziale Wohlfahrt hinken jedoch beständig der Wirtschaftsentwicklung hinterher.
Europäische Wirtschaftspolitik im Zeichen der Globalisierung
Das Streben nach Gewinn darf nicht zu immer mehr ungerechter Verteilung der Ressourcen und Sozialdumping führen, Gewinnmaximierung darf nicht alleiniges Leitbild der Wirtschaftspolitik sein.
Deutschland kann und muss mit seiner grundsätzlich erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft Vorbild und Motor für Europa sein. Denn soziale Sicherheit und eine funktionierende Gesundheits- und Altersversorgung sind wesentliche Voraussetzung für Zufriedenheit der Bevölkerung und ein hohes Maß an innerer Sicherheit, während ungelöste soziale Missstände ein Nährboden für Kriminalität und Terror sind.
Das Wohlstandsgefälle zu Regionen, die an Europa angrenzen, ist eine Ursache für Migrationsbewegungen und Schlepperkriminalität. Gezielte Hilfe zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung kann viel menschliches Leid lindern, wenn nicht sogar verhindern.
Weiterentwicklung des Binnenmarktes
Der Binnenmarkt muss als Grundlage für einen gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg weiter gestärkt werden. Hemmnisse und künstliche Schranken weiter abgebaut werden. Dabei gilt es die unter anderem in Deutschland, aber auch in Nachbarländern geltende hohe Standards nicht nur zu halten, sondern weiter auszubauen. Jedoch: Der bisher praktizierte übertriebene Hang zu Normierungen und Zertifizierungen schafft vielfach Markteintrittsschranken vor allem für Start-Ups oder bestehende kleine und mittlere Marktteilnehmer.
Nach Innen müssen unterschiedliche Steuer- und Abgabenstrukturen weitestgehend harmonisiert und angeglichen werden. Für Steueroasen ist in den Grenzen der EU kein Platz. Nach Außen muss eine einheitliche Wirtschaftspolitik Ziel und Maßstab sein, um auch dort einseitige Vorteile abzubauen und gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen.
Der Regionalität von Produkten, vor allem bei Lebensmitteln und Dienstleistungen, muss ein zentraler und hoher Stellenwert eingeräumt werden. Produkte innerhalb und auch von außerhalb eingeführte Waren müssen einer einheitlichen und für Endverbraucher nachvollziehbaren Kennzeichnungspflicht nach dem wesentlichen Herstellungs- und nicht nach dem Verpackungsland unterliegen. Regionale Wirtschaftskreisläufe sind zu stärken, um unnötige oder gar erst durch Subventionsanreize entstandene Transporte zu vermeiden.
EU-weite Ausschreibungen sind sicher sinnvoll und für Projekte ab einer bestimmten Größenordnung auch vorzuschreiben. Die Schwelle dafür muss jedoch vielmehr nach objektiven Gesichtspunkten gesetzt werden und darf nicht Einzelinteressen starker Lobbygruppen dienen.
EU-Organisationen und -Behörden
Unabhängige Organisationen wie eine EU-Kartellbehörde müssen die zu wenig vom Parlament kontrollierten Entscheidungsprozesse der Kommission ablösen. Eine solche zentrale Kartellaufsicht muss etwa europaweit die Kompetenz besitzen, Tendenzen zu Oligopol- bzw. Monopolbildung bereits im Vorfeld zu beobachten und im Keim zu ersticken. Die öffentliche Daseinsvorsorge wie Wasserversorgung, Klärwerke, Bauhöfe, Krankenhäuser, Personennahverkehr usw. ist in öffentlicher Hand in der Regel besser aufgehoben als in den Händen gewinn-orientierter Investoren. Versuche, die öffentliche Daseinsvorsorge unter dem Vorwand eines besseren Wettbewerbs zu privatisieren, sind abzulehnen. Öffentliche Daseinsvorsorge darf nicht blind wirtschaftsliberalen Interessen geopfert werden, sondern muss in der Entscheidungsbefugnis der jeweils vor Ort betroffenen Bevölkerung verbleiben.
Wesentliche Handlungsfelder
Als zentrale Handlungsfelder für eine bessere europäische Wirtschaftspolitik sehen wir:
- Neben den bisherigen Feldern der Wirtschaftspolitik – Agrar, Handel, Verkehr und Wettbewerb – sind
- Klima- und Umwelt-,
- Arbeitsmarkt-,
- Bildungs- und
- Sozialpolitik sowie
- Forschung und Wissenschaft als wesentliche Felder aufzunehmen und mit gemeinsamen Zielvorgaben zu versehen.
- Harmonisierung des Steuer-und Abgabenrechts: europaweit ist eine forcierte Harmonisierung der Steuersätze anzustreben, um Standortverlagerungen, Wohnsitzwechsel usw. aufgrund steuerlicher Vor– oder Nachteile zu reduzieren.
- Strukturförderung soll sich nur an allgemeinen Leitsätzen orientieren und muss in der Festsetzung und Umsetzung wesentlich in nationaler und regionaler Hand liegen
- EU-Subventions- und Fördertopfwesen muss dringend überdacht und reduziert werden: Subventionen sind als wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument schlecht geeignet und sind daher drastisch in allen Bereichen zurückzufahren. Wo nötig sind Strukturförderungen zeitlich zu befristen und einer kontinuierlichen Prüfung zu unterziehen.
Denn Subventionen lösen häufig ein eigentlich unwirtschaftliches Marktverhalten aus. Waren, Lebensmittel oder lebende Tiere werden oftmals sinnlos über weite Strecken transportiert. Waren werden produziert, ohne dass ein Markt dafür vorhanden ist, um dann mit Exportsubventionen an anderen Orten der Welt Märkte kaputt zu machen. Mitnahmeeffekte werden ausgelöst. Steuergelder werden verschwendet, weil Fördertöpfe für zweifelhafte Maßnahmen eingerichtet werden, Bürokratie entsteht, um die Förderkriterien zu überwachen. Arbeitsplätze werden innerhalb der EU aufgrund von Subventionen zum Schaden des Gesamtsystems verlagert, Müll wird quer durch Europa gekarrt. - Verkehrspolitik: In den nächsten Jahren wird europaweit eine weitere deutliche Zunahme des Verkehrs vorausgesagt, insbesondere des Schwerlastverkehrs auf der Straße. Um dem endgültigen Verkehrsinfarkt vorzubeugen und zusätzliche Umweltbelastungen nicht nur vermeiden sondern die Belastung unserer Umwelt nachhaltig zu reduzieren, sind gezielte Maßnahmen für ein Verkehsrsystem der Zukunft zu entwicklen. Mautgebühren können ein Mittel zur Gegenfinanzierung und der allgemeinen Lenkungspolitik sein; eine fortschreitende Belastung von Wohn- und Erholungsgebieten durch Mautausweichverkehr ist gezielt zu unterbinden. Einheitliche Strukturen und Standards sind wesentlich für eine koordinierte Verkehrspolitik: vor allem transnationaler Verkehr auf der der Schiene - Stichwort: Transeuropäische Netze - muss ausgebaut werden. Der europäische Flugverkehr muss besser koordiniert werden durch Schaffung eines einheitlichen Kontrollsystems als zentraleuropäische Hoheitsaufgabe; Stichworte hierzu: Weiterentwicklung des Single European Sky unter Berücksichtigung des BuVerfG-Urteils zur Privatisierung der Deutschen Flugsicherung (DFS).
- Agrarpolitik: Kernaufgabe der europäischen Landwirtschaft muss sein, die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln sicherzustellen. Umwelt- und Verbraucherschutz sind dabei selbstverständliche Ziele der EU-Politik. Deren Einhaltung und Förderung darf nicht zum Wettbewerbsnachteil für diejenigen werden, die diese Ziele ernst nehmen. Der größte Teil des EU-Haushalts ist dem Agrarbereich zugeordnet. Trotzdem geht die Zahl der Betriebe stark zurück, weil die Gelder kaum bei den Landwirten ankommen, sondern im Subventionsdschungel oder in der Agrarbürokratie versickern. Primäres Ziel muss künftig eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft sein, in der nicht Agrarfabriken gefördert werden oder Ackerflächen als Spekulationsobjekte für kurzfristige Gewinnabschöpfung dienen. Der Einsatz der grünen Gentechnik in der Landwirtschaft ist abzulehnen, da weder die Verbraucher noch die Landwirte selbst davon profitieren, Gefahren nicht auszuschließen sind und langfristige Abhängigkeiten programmiert sind.
Zur Diskussion: Generell stellt sich die Frage, ob nicht auch im Agrar-Bereich die Förderpolitik völlig gescheitert ist und grundlegend reformiert werden muss? - Umwelt- und Klimapolitik: Die EU muss sich mit zentralen Themenfeldern der Umweltpolitik auf Basis eines breiten Konsens befassen. Stichworte hierzu sind: die Kyoto-Ziele, der Emissionshandel bzw. Emissionszertifikate sowie die Entwicklung einer EU-Klimaschutzrichtlinie
- Energiepolitik: Vor dem Hintergrund des russisch-ukrainischen Gasstreits erlangte das Thema Energiesicherheit beim ersten Ratstreffen der tschechischen Präsidentschaft in Prag im Januar 2009 besondere Aktualität. Eine der zentralen Herausforderungen der EU in diesem Bereich liegt darin, die Energieversorgung Europas weiter zu diversifizieren und strategische Vorräte anzulegen. Dieses Anliegen zählt gemäß den Ausführungen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso derzeit zu den obersten Prioritäten der Europäischen Kommission.U
Ungefähr ein Viertel ihres Erdgases bezieht die EU aus Russland, wobei der größte Teil durch ukrainische Pipelines in die EU fließt. Allerdings sind die einzelnen EU-Mitgliedstaaten in sehr unterschiedlichem Maße von den russischen Gaslieferungen abhängig.
Folglich müssen sich die EU Mitgliedstaaten nun ernsthaft darum bemühen, neben der Erschließung neuer Energiequellen auch den Ausbau erneuerbarer Energien weiter voranzutreiben, um künftig unabhängiger von Energielieferungen von Drittstaaten zu werden und die Versorgungssicherheit für die EU im Energiebereich weiter zu stärken.
Ein Programm zu einer gemeinsamen Energieversorgungspolitik, das nicht nur die Sicherstellung der Energieversorgung als eine wesentliche Herausforderung für die nahe Zukunft begreift, sondern darin zugleich als Prämisse eine regenerative Energieversorgung vorsieht muss eine europäische Zentralaufgabe sein. - Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik: Für die Europäische Union ist die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise eine zentrale Herausforderung, die ein gemeinsames Vorgehen erfordert. So kündigte die Europäische Kommission am 26. November 2008 einen umfassenden Aktionsplan an, mit dem der Wirtschafts- und Finanzkrise konzentriert entgegen getreten werden soll. Ziel des Programms ist es, das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen wiederherzustellen, die Kreditvergabe anzukurbeln, Investitionen in die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten anzuregen, Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitslosen die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Auf dem EU-Gipfel vom 11. und 12. Dezember 2008 billigte der Europäische Rat schließlich das von der Kommission erarbeitete Europäische Konjunkturprogramm mit einem Finanzvolumen von rund 1,5 % des BIP der Europäischen Union.